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Ausrüster

    Montag, 06 Mai 2019 14:35

    Interview mit einem ehemaligen Profischiedsrichter

    José Antonio Gonzalez war zehn Jahre lang Unparteiischer, unter anderem in der höchsten Schweizer Liga. Heute trainiert er den Nachwuchs des FC Münchwilen. Für den aktuellen Schiedsrichtermangel im Amateurfussball sieht er mehrere Gründe – von zu wenig Respekt bis zu fehlendem Support.

    Es scheint, als wolle keiner mehr Schiedsrichter werden. Was waren denn Ihre Gründe, ein Fussballspiel leiten zu wollen?
    José Antonio Gonzalez: Um ehrlich zu sein: Es war eine Art Wette. Ich spielte damals noch Fussball. In einem Spiel habe ich mich furchtbar über eine Entscheidung des Schiedsrichters, der mein Nachbar war, aufgeregt. Nachher haben wir uns getroffen und über den Entscheid diskutiert, ja sogar im Regelbuch nachgeschlagen. Er sagte mir, dass, wenn ich es besser könne, ich es doch selber machen solle. Dann habe ich es mal versucht.

    Und es tatsächlich besser gemacht?
    Es machte Spass, war aber nicht so einfach. Schiedsrichter zu sein, das ist ein Lernprozess.

    Inwiefern?
    Da steigst du in der 3., 4. oder 5. Liga ein und brauchst dort jemanden, der dich unterstützt. Jemanden, der Erfahrung hat und nach einem schlechten Spiel mit dir reden kann. Nur durch diese Hilfe kommst du weiter, wirst besser.

    Wie haben Sie es in die Nationalliga A geschafft?
    Ich stieg immer weiter auf bis zu dem Punkt, als ich mich entscheiden musste, Schiedsrichter oder Assistent zu sein. Ich wählte Letzteres, auch weil ich angefragt wurde, im Team von Nicole Petignat, die in der höchsten Liga arbitrierte, zu assistieren. Ich war bereit, zu helfen, schliesslich steckt auch Teamarbeit dahinter.

    Ist es schwieriger, ein Profi-Fussballspiel zu leiten als eines in den untersten Ligen?
    Nein, im Gegenteil, bei den Profis ist es einfacher. Die Spieler verhalten sich anständiger und professioneller, als es in den Fernsehbildern den Anschein hat.

    Sind die Umgangsformen und der mangelnde Respekt vonseiten der Spieler denn der Grund für den akuten Schiedsrichtermangel im Amateurfussball?
    Sicher ist es ein Faktor. Heute ist der Mangel an Respekt grösser als vor 30 Jahren, vor allem im Juniorenfussball. Alle träumen von einer grossen Karriere, Spieler wie auch Eltern. Da gehen auch viel Konkurrenzkampf und Frust mit einher, die sich in den Spielen an den Unparteiischen entladen. Doch ich sehe noch einen anderen Grund.

    Der wäre?
    Wie gesagt: Ich war dankbar, dass ich in meinen Anfangsjahren Unterstützung aus meinem Verein erhielt und mich mit jemandem aus dem Metier austauschen konnte. Heute werden die Einsteiger nur noch ins kalte Wasser geworfen. Es fehlt diese Unterstützung. 17-Jährige steigen als Schiedsrichter ein, pfeifen ihre ersten Spiele und müssen vieles über sich ergehen lassen, ohne dass sie dies danach richtig verarbeiten können. Wenn du einen schlechten Tag hattest, dann aber niemandem zum Reden findest, hast du schnell genug. Darum hören viele junge Unparteiische schon nach einem Jahr wieder auf.

    Wie sollen die Vereine helfen?
    Vielleicht einen Schiedsrichterobmann einsetzen, der durch die ersten Spiele begleitet, Tipps gibt und Erfahrungen teilt. Sodass die Jungen beispielsweise lernen, sich bei Fehlentscheidungen nicht zu schämen. Dadurch wird Sicherheit geschaffen und sie fühlen sich immer wohler in dem, was sie tun. Und wollen so nicht mehr aufhören.

    Bei Ihnen hat das früher funktioniert. War es denn vor 30 Jahren auch einfacher?
    Es ist und war immer schwierig, als Schiedsrichter Karriere zu machen. Du verdienst nicht viel, kommst nur langsam vorwärts und musst im richtigen Moment Glück haben. Darum mangelte es schon zu meiner Zeit an Schiedsrichtern. Zudem braucht es einfach Passion für den Fussball im Allgemeinen. Ich war immer motiviert, bereitete mich teilweise zwei Stunden vor der Partie vor, egal ob Amateur- oder Profispiel.

    Sie hatten Ihre Passion zehn Jahre lang gelebt, sind aber bereits im Alter von 28 Jahren zurückgetreten. Weshalb?
    Ich litt unter schweren Hüftproblemen, musste sogar unters Messer. Als Schiedsrichter musst du nicht nur psychisch, sondern auch physisch sehr fit sein. Und das war ich leider nicht mehr.

    Wie war diese Einsicht für Sie?
    Sehr frustrierend. Ich habe es von Herzen gemacht. Da ich Fussball liebe, habe ich aber schnell eine neue Berufung in der Junioren- und Spielerabteilung gefunden. Dort will ich die Jungen weiterbringen und mit ihnen an ihrem Respekt gegenüber Schiedsrichtern arbeiten. Ich will den Junioren zeigen, dass auch Schiedsrichter nur Menschen sind, und man Entscheidungen, ob richtig oder falsch, zu akzeptieren hat.

    Gibt es einige Spieler, die Interesse zeigen, Schiedsrichter zu werden?
    Ein paar wenige, aber eben, sie müssen es von Herzen machen wollen.

    Würden Sie es wieder tun?
    Absolut.

    Warum?
    Es ist eine Lebensschule, du lernst zu entscheiden und mit Verantwortung, Respekt, Anstand und Toleranz umzugehen. Zudem entstehen viele unvergessliche Momente.

    Ihr unvergesslicher Moment?
    Als ich im Team von Massimo Busacca beim Freundschaftsspiel Frankreich gegen Ägypten assistieren durfte. In Paris, vor 60 000 Zuschauern. Da bist du einfach nur motiviert. Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut. (Nicola Ryser via tagblatt.ch)

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